Das Ja-Experiment – Year of Yes by Shonda Rhimes

Das Ja-Experiment – Year of Yes by Shonda Rhimes

Autor:Shonda Rhimes
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2016-09-12T00:00:00+00:00


** Anm. d. Üb.: Im Original benutzt Shonda Rhimes den Begriff F. O. D.: First. Only. Different.

9

Ja zur Mitgliedschaft im Club

Nachdem ich etwa ein Jahr lang zu allem Ja gesagt habe, ruft Chris Nr. 1 mich an und teilt mir mit, dass ich beim jährlichen »Women in Entertainment«-Frühstück den Sherry-Lansing-Preis des Hollywood Reporters verliehen bekommen soll. Sein Tonfall ist sanft und beruhigend, wie der eines Krankenpflegers in der Psychiatrie, als er mich darüber informiert, dass ich dort eine Rede halten müsse.

Dann wartet er darauf, dass ich ausraste.

Diese Rede ist keine Durchschnittsrede. Die Rede vor den Dartmouth-Absolventen war eine große Sache, ja. Doch jetzt werde ich nicht vor einer Ansammlung von Universitätsabsolventen stehen, die der Zukunft entgegenschauen und Lebensweisheiten hören möchten. Dieses Mal wird mir keine Schar hoffnungsvoller und glücklicher Eltern gegenübersitzen, die heilfroh sind, dass sie nicht länger Hunderttausende Dollar Studiengebühren zahlen müssen.

Wie der Name der Veranstaltung schon sagt: Diese Rede ist für Frauen in der Unterhaltungsbranche. Für mächtige Frauen in der Unterhaltungsbranche. Woher ich das weiß? Der Hollywood Reporter veröffentlicht jedes Jahr eine Liste zu dieser Veranstaltung, unter dem Namen »Power 100«.

Einige der Frauen in dem Saal, die mir zuhören werden, sind Legenden. Die Produzentin Sherry Lansing höchstpersönlich wird anwesend sein.

Chris wartet auf meinen Ausbruch. Er wartet darauf, dass ich ihm »Hähnchenknochen-Nippelgate-Angstschnodder« ins Ohr brülle. Ich schweige lange. Dann sage ich:

»Okay.«

»Okay?« Er klingt verwirrt. »Okay wie … okay, in Ordnung?«

»Ja. Okay, in Ordnung.«

Chris glaubt, vielleicht habe ich ihn nicht verstanden.

»Du musst eine Reeeeede halten«, sagt er ganz langsam. Und laut. Als sei ich schwerhörig. Als wäre ich wirklich alt.

Doch ich habe ihn verstanden. Und ich bin nervös. Aber jetzt ist es an der Zeit.

Im Saal werden lauter Frauen sitzen. Mächtige Frauen. Ich stehe auf der Liste. Theoretisch bin ich eine dieser mächtigen Frauen. Theoretisch sind sie meinesgleichen. Aber dennoch …

Ich kenne keine einzige der Frauen auf der Liste persönlich. In Wahrheit ist es ein Saal voller Fremder für mich. Mächtiger Fremder.

Ich habe dieses Jahr auf eine Weise genossen, wie ich mein Leben schon lange nicht mehr genossen habe. Ich fühle mich fröhlich, beschwingt und lebendig. Ich habe Fortschritte gemacht, ich bin in vielem deutlich besser geworden, doch ich habe keine Freunde in der Branche, die nicht in meine Serien involviert sind. Jeder, den ich kenne, arbeitet für mich oder mit mir zusammen. Ich bin eine mächtige Frau, die keine mächtigen Frauen kennt.

Ich bin auf der Liste, aber ich bin nicht Teil der Liste.

Hähnchenknochen, Nippelgate, Angstschnodder hin oder her.

Ich habe mich meinen Schwestern in der Branche gegenüber zu lange wie eine Schildkröte in ihrem Panzer aufgeführt.

Es ist an der Zeit, mich nicht länger an die Wände des Saals zu drücken. Nicht länger in der Ecke zu stehen. Nicht länger in meinem Kopf zu leben und mir zu wünschen, ich hätte etwas zu sagen. Denn eines haben Chris’ Sisyphos-Arbeit und das ganze Ja-Sagen mich gelehrt: Wenn ich den Kopf nicht aus dem Panzer hinausstrecke und den Leuten zeige, wer ich bin, werden alle glauben, ich sei nur der Panzer.

Es ist Zeit, meinen Platz auf der Liste einzunehmen.



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